Tag 14
Was war noch mal der Grund fürs Aufhören?
Schon zwei Wochen in Freiheit – ich freue mich mit dir diesen großen Etappensieg zu feiern!
Lass‘ uns kurz in Erinnerung rufen, warum du vor 14 Tagen die letzte Zigarette ausgedrückt hast. Was waren die Gründe dafür, dass du dich überhaupt ernsthaft mit dem Aufhören befasst hast? Ich möchte dich davor bewahren, in die Falle zu tappen und zu denken es wären die üblichen Argumente gewesen:
War es wegen der Gesundheit?
Wegen des Geldes?
Wegen des unangenehmen Geruchs?
Weil du ein schlechtes Vorbild für die Kinder warst?
Dir würden wahrscheinlich noch etliche weitere Argumente einfallen, die alle massiv gegen die Zigaretten sprechen. Und wir könnten diese Argumente in eine Waagschale werfen, die ziemlich schwer wiegen würde.
Wir könnten auch – um fair vorzugehen – die Waagschale auf der anderen Seite mit positiven Argumenten füllen, die FÜR das Rauchen sprechen. Natürlich wären die Pluspunkte für das Rauchen niemals so viele wie die Minuspunkte, das sind sich alle Raucher einig.
Die Gefahr in dieser Betrachtungsweise liegt in der vermeintlichen Logik. Auch wenn es absolut sinnvoll zu sein scheint, sich gegen die Negativ-Argumente zu entscheiden und aus diesem Grund das Rauchen zu beenden, hat man mit diesem Vorgehen schon halb verloren. Denn die scheinbar positive Seite des Rauchens, und seien die Argumente noch so schwach und noch so wenige, lässt sich nicht so schnell verdrängen.
Wer nur der Logik und dem Verstand folgt, wird nach wenigen Tagen feststellen, wie schnell der starke Moment der Entscheidung verblasst.
Das Leben läuft ja weiter, das Suchtgeschehen in der Anfangszeit auch, denn Nikotin ist noch eine Weile im Körper vorhanden, bis es restlos abgebaut sein wird. Die Entsorgung der Schadstoffe kann sich holprig anfühlen und schnell zu der Annahme führen, dass da jetzt ein schlimmer „Entzug“ im Gange ist, der womöglich NIE aufhören wird. Ich habe in den ersten Tagen schon wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich hier ja tatsächlich durch das Lösen alter innerer Ablagerungen um eine Reinigung, also eine Heilung des Organismus handelt. Auch wenn sich das durch Husten, Schwitzen und unruhigen Schlaf oder Gereiztheit am Tage bemerkbar macht und alles andere als angenehm empfunden wird.
Die Gedankenfalle hier funktioniert so: Man fragt sich, warum man sich seit einigen Tagen körperlich wie mental so unwohl fühlt. Die Antwort ist klar: Weil man mit dem Rauchen aufgehört hat. Und das ist dann das Signal für die alten Gedankenmuster, die wir jahre- und jahrzehntelang geübt haben: Da war doch etwas Schönes am Rauchen, die Gemütlichkeit zum Beispiel, oder die Entspannung, die Hilfe bei Stress. Das war doch keine Täuschung! ODER?
Hier kommen wir zum Kern des Problems bei dieser Vorgehensweise: Sobald du Verstand gegen Gefühl ins Rennen schickst, bleibt die Logik meistens auf der Strecke. Gefühle sind nun einmal viel stärker in unserem Unbewussten verankert als verstandesmäßig gemachte „Erfahrungen“.
Der Verstand geht nun aber weiter logisch vor und bohrt nach: Warum habe ich denn überhaupt mit dem Rauchen aufgehört? Weil es gefährlich für die Gesundheit war, viel Geld gekostet und schlecht gerochen hat? Es knöpft sich ein Argument nach dem anderen vor. Aber Vorsicht: Argumente sind schon nach wenigen Tagen von unserem cleveren Hirn scheinbar ebenso logisch zu entkräften:
Gefährlich? Ja, für andere schon, aber mir hat es bis jetzt doch nicht geschadet.
Teuer? Sicher, aber es gibt noch viel kostspieligere Hobbies, und das Geld geht auch so irgendwie für andere Dinge weg.
Schlechter Geruch? Ich könnte es ja vielleicht mit einer E-Zigarette versuchen….
Merkst du was? Während die starken Gründe fürs Aufhören nur so dahin schmelzen, wird auch die Motivation fürs Weitermachen immer schwächer.
Und die andere Seite? Gemütlichkeit, Geselligkeit, Stresshilfe, Entspannung – diese Erinnerungen an Rauchsituationen sind natürlich vor allem mit positiven Gefühlen verbunden. Und die Vorstellung, diese nie mehr haben zu dürfen, macht die Pluspunkte für die Zigarette unendlich groß. Vor ein paar Tagen waren sie noch lächerlich klein gegenüber den erdrückenden Gegenargumenten, aber jetzt wirken sie schließlich überwältigend.
Und dort, wo die Waagschalen sich auf einer Höhe begegnen, ist der Ex-Raucher am „Egal“-Punkt angelangt. Es scheint egal zu sein, ob ich weiter rauche oder aufhöre, dann kann ich mir eigentlich auch gleich eine anzünden….
Die guten Erinnerungen, emotional richtig schön aufgeladen, haben gesiegt.
An diesem Punkt ist deine Aufmerksamkeit gefragt. Und dabei dürfen wir sogar die Logik bemühen, wenn wir die einfache Frage beantworten: Sind denn die Argumente gegen das Rauchen tatsächlich nicht mehr vorhanden – oder hat nur meine Vorstellungskraft sie plötzlich unsichtbar gemacht und aus der Waagschale meiner rationalen Entscheidung von vor ein paar Tagen geworfen?
Die Wahrheit ist: Es ging nie um logische Argumente, Wissen, Fakten. Es ging all die Raucherjahre über vor allem um Gefühle. Ja, auch gefühlte angenehme Effekte, die wir immer und immer wieder mit der Zigarette verknüpft haben. Die so zur Wahrheit geworden sind – wie übrigens so ziemlich alles, was nur oft genug unhinterfragt wiederholt wird, schließlich geglaubt wird.
Deshalb sollten wir noch einmal einen kritischen Blick auf unsere Gefühle der Entspannung, der Gemütlichkeit oder der Hilfe bei Stress lenken.
Dazu möchte ich dich zu einem Gedankenexperiment einladen. Stell‘ dir vor, dass wir beide einen unangenehmen Zahnarztbesuch zu bestehen haben. Gleich am Morgen stellt sich ein ungutes Gefühl der Furcht, zumindest aber des Unbehagens ein, und wir würden uns am liebsten die Decke über den Kopf ziehen oder irgendwo anders hin entfliehen – typische Stressreaktionen. Die dritte Möglichkeit des Kämpfens entfällt bei diesem Beispiel wohl definitiv.
Der Organismus registriert den Stress und sucht nach Wegen, diesen abzubauen, wieder in die Balance zu kommen. Ein Raucher-Organismus hat es in dieser Situation sogar noch mit einer Extra-Portion Stress zu tun – dem so genannten Entzugsstress, den der Körper durch den Abbau eines Suchtstoffs über Nacht, in unserem Fall des Nikotins, erfährt. Dieser Entzug tut nicht weh, der Stress ist jedoch spürbar (genau: es ist unser bekanntes diffuses Gefühl des „Schmachters“, das zum Verlangen nach der nächsten Zigarette wird).
Auf welche Idee, seinen Stress zu mindern, kommt ein Raucher in solch einer Situation? Er oder sie befindet sich ja noch zu Hause, die Zähne sind noch nicht geputzt? Natürlich die Idee nach der Zigarette – wie jeden Morgen nach dem Aufwachen, der längsten Rauchpause im Tageslauf von Rauchern.
Du ahnst es: Sobald der erste Zug aus der Zigarette getan ist, wird man ruhiger, der Stress nimmt tatsächlich ab. Ist das so?
Ja, der Stress nimmt ab, aber nur um den Anteil, den der Entzugsstress durch den Nikotinabbau verursacht hat. Der Angst-Stress vor dem Zahnarzttermin bleibt bestehen, bei Rauchern genauso wie bei Nichtrauchern.
Vielleicht kennst du auch das: Du empfindest leichte, aber störende Kopfschmerzen und wünschst, dass sie aufhören. Aus Unkonzentriertheit schneidest du dir beim Essenvorbereiten in den Finger – was passiert in diesem Moment mit dem Kopfschmerz? Klar, er tritt in den Hintergrund, ist zwar noch vorhanden, wird aber fast nicht mehr bemerkt – für einige Augenblicke jedenfalls.
Nach diesem simplen Muster hat die Zigarette in unzähligen Situationen, in denen wir uns unwohl fühlten, traurig etwa, genervt oder gelangweilt oder hungrig, uns ein kleines bisschen von diesem unwohlen Gefühl abgelenkt, weil durch das Zuführen von Nikotin der vorher unbemerkt vorhandene Entzugsstress beruhigt wurde. Und wir haben uns insgesamt ruhiger, einfach besser gefühlt – und das stimmte!
Und noch verrückter: So funktioniert es auch in schönen Situationen; in Geselligkeit, beim Feiern, nach einem guten Essen, beim open air-Konzert: Auch hier wird ein unbemerkt störender Schmachter durch die Zigarette erledigt und die Situation wird scheinbar „noch schöner“! Je stärker die Emotionen, ob positiv oder negativ, desto stärker festigen sich diese Verknüpfungen
Das Fazit, so bitter es ist: Die Zigarette hat in der Vergangenheit nie eine Situation schöner, einfacher oder ungeschehen machen können. Und die einfache Schlussfolgerung daraus lautet: Sie wird es auch in der Zukunft nicht tun können, niemals!
Freue dich, dass du den zusätzlichen Stressfaktor aus deinem Leben verbannt hast!
Ab morgen werden wir einige Gedankenfallen sichtbar machen und ihnen mit Achtsamkeit begegnen.
Bis dahin wünsche ich dir für heute einen ausgeglichenen Tag!