Leicht und Fit

Basiskurs in gesunder Ernährung und Bewegung

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Modul 9

Ohne Bewegung läuft’s nicht rund

Was können wir für unsere Muskeln tun

Wie entlasten wir die Bandscheiben

Welche Übungen tun der gestressten Wirbelsäule gut

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Benutze oder verliere es oder wie es im Englischen eleganter klingt: Use it or lose it! Diesen Hilferuf würden wir von unserer Muskulatur hören, wenn wir sie nur einmal fragen würden, wie es ihr geht. Der gesamte Bewegungsapparat ist ein spannendes System, das wir uns in dieser Woche ansehen und erkunden wollen:

  • Was können wir für unsere Muskeln tun
  • Wie entlasten wir die Bandscheiben
  • Welche Übungen tun der gestressten Wirbelsäule gut

Ohne Bewegung macht der Körper schlapp

Früher jagte der Steinzeitmensch dem Mammut hinterher, grub nach Wurzeln und sammelte essbare Blätter und Früchte. Er musste sich bewegen, um nicht zu verhungern und vollbrachte dafür Tag für Tag körperliche Höchstleistungen. Unser Vorfahr legte im Schnitt 20 Kilometer pro Tag zu Fuß zurück.

Der moderne Büromensch läuft von der Tiefkühltruhe bis zur Mikrowelle und geht dabei gerade einmal durchschnittlich 1500 Schritte, etwas mehr als 1 km, täglich.

Wir bewegen uns um zwei Drittel weniger als noch vor 100 Jahren, denn die meiste Arbeit nehmen uns Maschinen ab. Und für die eigene Fortbewegung benutzen wir Fahrstühle, Rolltreppen, das Auto, E-Fahrrad und den Elektro-Scooter.

Noch fataler als Stehen ist das Sitzen – schon lange als das neue Rauchen bekannt. Für die zwei unnatürlichen rechten Winkel, in die uns erst seit rund 200 Jahren der Stuhl zwingt, ist das menschliche Skelett nicht geschaffen. Das Sitzmöbel legt Skelett und Muskeln still, reduziert unsere Atmung und raubt den Füßen den festen Bodenkontakt.

Die äußerlich sichtbaren Auswirkungen jahrelangen Sitzens sind ein schildkrötenartig vorgebeugter Hals, eingefallene Schultern, Rundrücken und ein verspannter Nacken. Als körperliche Schädigungen drohen außerdem Hämorrhoiden, eine verkrümmte Wirbelsäule, Kopfschmerzen und Bandscheibenvorfälle. Sogar das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und manche Krebsformen steigt mit dem Sitzen.

Am Muskel hängt der ganze Körper

Im Sessel sitzend verkümmern die 500 Skelettmuskeln regelrecht und werden oft nach und nach durch Fett ersetzt. Mit jedem Gramm weniger Muskelmasse werden die Knochen brüchiger, wird auch die Haut schlaffer, das Immunsystem schlapper und der Geist träger.

Unsere Muskulatur besteht aus ca. 640 Muskeln. Sie lassen uns lachen, die Stirn runzeln oder die Beine bewegen. Die Rücken und Bauchmuskulatur bilden quasi das menschliche Korsett. Es trägt zur Stabilisierung der Wirbelsäule bei und ermöglicht uns erst die aufrechte Haltung. Verliert diese Muskulatur ihre Kraft, dann verändert sich auch die Körperhaltung.

Die meisten Muskeln befinden sich unter der Haut und sind mit dem Skelett verbunden. Die Skelettmuskulatur, auch quer gestreifte Muskulatur genannt, kann willentlich kontrolliert werden. Der Herzmuskel sowie die glatte Muskulatur in den Atemwegen, den Harnwegen und im Magen-Darm-Trakt dagegen werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert und sind „unwillkürliche“, also bewusst nicht beeinflussbare Muskulatur.

Wir verlieren jedes Jahr ein Pfund Muskeln

Wer nichts dagegen tut, verliert ab dem 20. Lebensjahr jedes Jahr ein Pfund Muskulatur.

  • Das macht im Alter von 30 Jahren = 5 kg
  • mit 40 Jahren = 10 kg
  • und mit und mit 50 Jahren = 15 kg

 

Das bedeutet einen Verlust von 40 Prozent unserer Muskulatur, wenn wir ein Lebensalter von 70 Jahren erreicht haben.

Das glaubst du nicht, weil man es nicht sieht? Das stimmt leider, denn bei mangelnder Aktivität lagert der Körper Fett ein und verwandelt Muskelmasse in wesentlich trägere Fettmasse. Muskeln verbrauchen auch im Ruhezustand mehr Energie als Fettzellen. Wer nur zwei Kilo Fett durch Muskeln ersetzt, verbraucht täglich rund 200 Kilokalorien mehr. Das macht im Jahr 73.000 Kilokalorien, umgerechnet 10 Kilo erspartes Körperfett.

Für Diabetiker interessant: Unter Belastung vermehren sich die Insulinrezeptoren der Körperzellen, wodurch der Zucker aus der Nahrung besser verwertet wird. Bei inaktiven Diabetikern bleibt der zugeführte Zucker im Blut und wird nur langsam abgebaut.

Jeder Muskel braucht tägliche Reize

Den ganzen Tag zu sitzen ist für unsere Muskulatur so, als würde man ihr einen Ganzkörpergips verpassen. Der muskulären Katastrophe kannst du aber mit einfachen Bewegungen im Alltag begegnen. Denn:

Der Muskel ist das einzige Organ, das die biologische Uhr sogar zurückstellen kann. Auch wenn ein 80jähriger trainiert, kann er noch Muskelmasse zulegen… denn die Muskelzelle weiß nicht, ob wir 20 oder 80 Jahre alt sind.

Mit regelmäßigem Training legst du dir einfach einen Muskelpanzer gegen das Altern an. Schon 4 Stunden Bewegung pro Woche senken das Risiko für Folgeerkrankungen um 40 Prozent. Der Mensch bewegt sich nicht weniger, weil er alt wird. Er wird alt, weil er sich nicht bewegt.

Mehr Lebenszeit und Lebensqualität durch regelmäßiges Training

Rund 3 Milliarden Mal schlägt das Herz im Laufe eines 80 Jahre dauernden Lebens. Mehr als jedes andere profitiert dieses Organ von einem Ausdauer- oder Herzkreislauftraining: Bei einem trainierten Menschen muss es nicht 80-mal pro Minute pumpen, sondern nur noch 60-mal, also 25 Prozent weniger leisten. Dafür kann es 20 Jahre länger schlagen.

Du kannst mit regelmäßiger Bewegung noch mehr Effekte erzielen: Sie verstärkt z. B. die Arbeit der Lunge bis zum 20-fachen des Ruhewertes. Der Blutfluss im Körper wird um etwa das 8-fache erhöht und so der Organismus mit mehr Sauerstoff versorgt. Während ein ruhender Mensch 250 Kubikzentimeter Sauerstoff pro Minute verbraucht, sind es bei einem Sporttreibenden 10-mal so viel (2.500-3.000).

Mit sportlicher Aktivität hast du noch ein weiteres Ass im Ärmel: Es gibt kein Medikament, welches das Immunsystem so stärkt wie Bewegung im Sauerstoffüberschuss (aerob). Schon nach 30 Minuten Training finden sich im Blut 30 Prozent mehr Killerzellen als vorher. Diese bekämpfen Bakterien, Viren und auch Krebszellen wirkungsvoll.

Das Gegenteil erreichst du, wenn du dich überforderst: Wenn du anfängst zu keuchen, gerätst du in den anaeroben Bereich, die Sauerstoff-Unterversorgung. Dabei bilden sich “freie Radikale”, die das Immunsystem schwächen. Wer sich beim Training noch unterhalten kann, liegt etwa richtig und hat genügend Sauerstoff zur Verfügung. Es ist also weniger die Intensität als die Regelmäßigkeit entscheidend für dein Wohlbefinden mit Bewegung.

Sport treiben trotz „Rücken“?

Die Bandscheibe ist das einzige Organ, das nicht durchblutet wird, sondern mit Gewebewasser versorgt wird. Allein deshalb ist es wichtig viel zu trinken. Noch wichtiger aber ist es die Bandscheiben richtig zu ernähren. Das geschieht nicht durch Nahrungsaufnahme, sondern durch Bewegung.

Die Verbindung zwischen zwei Wirbelkörpern besteht aus einem weichen inneren Gallertkern und dem knorpeligen äußerem Ring. Die Bandscheibe federt wie ein Puffer Stöße und Erschütterungen ab. Damit ihre Elastizität erhalten bleibt, muss sie sich bei Entlastung wie ein Schwamm mit Gewebewasser vollsaugen und bei Belastung durch Zusammendrücken die Flüssigkeit wieder abgeben können.

Das passiert bei jedem Schritt, den wir tun und erst recht natürlich mit schonender, rückengerechter Bewegung wie z. B. beim Nordic Walking.

„Rückenschmerzen“ lautet die häufigste Diagnose von niedergelassenen Ärzten. Etwa ein Viertel der Deutschen lässt sich jährlich deswegen behandeln.

Und sogar etwa 1/3 der Bevölkerung leidet an chronischen Rückenschmerzen, wobei der ganz überwiegende Anteil auf eine geschwächte Rückenmuskulatur zurückzuführen ist.

Schmerzauslöser sind meist verspannte Muskeln, die durch ständige Anspannung, etwa wegen Fehlhaltungen, schlecht durchblutet werden. Dadurch nehmen die Schmerzen zu und führen in den Teufelskreis – weniger Bewegung – Gewichtszunahme – mehr Belastung des Skeletts und der Muskulatur – weniger Bewegung oder Fehlhaltung – mehr Schmerzen.

Die Erkenntnis, dass in diesem Fall gezielte Bewegung die beste Therapie darstellt, hat sich glücklicherweise durchgesetzt.

Wie schaffe ich es Bewegung in den Alltag zu bringen?

Den buchstäblich ersten Schritt hin zu mehr Bewegung in deinem Alltag kannst du mit einer App auf dem Smartphone oder einem winzig kleinen Accessoire am Gürtel erledigen: Lege dir einen Schrittzähler zu! Schon das Bewusstsein, dass der kleine Aufpasser über die Anzahl deiner täglichen Schritte wacht, ist für die meisten Menschen bereits Ansporn genug für ein paar Extra-Meter.

Wenn du bisher weniger als 2.000 Schritte täglich gegangen bist, solltest du dies langsam ausbauen. Füge in der ersten Woche jeden Tag 250 bis 350 Schritte hinzu. Dann bist du schon bei etwa 4.000 Schritten. Wenn es sich gut anfühlt, steigere jede weitere Woche um 500 bis 1000 Schritte so lange, bis du 7.500 oder 10.000 Schritte erreicht hast.

Die Extra-Schritte erreichst du sehr leicht durch Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren, eine Bushaltestelle früher als gewohnt aussteigen oder zumindest in der Freizeit sich öfter mal aufs Fahrrad schwingen.

Tipp: Tanzen ist ein toller Sport, mach dein Wohnzimmer mit deiner Lieblingsmusik doch öfter mal zum Dancefloor!

Auch während der Arbeit in Bewegung bleiben – Die 40-15-5-Regel

Im Büro oder im Homeoffice sind kaum noch Wege zurückzulegen. Deshalb empfiehlt das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) den Arbeitsplatz möglichst dynamisch einzurichten, z. B. Drucker oder Papierkorb in einem anderen Raum aufstellen. Ideal ist ein höhenverstellbarer Schreibtisch.

Auch die 40-15-5-Regel hilft gegen Bewegungsmangel: Nach 4o Minuten Sitzen solltest du dich für 15 Minuten im Stehen beschäftigen, z. B. beim Telefonieren und danach 5 Minuten lang bewegen.

Die fünf Minuten Bewegung können für den Gang in die Küche genutzt werden oder um den Müll hinunterzutragen. Auch kurze Übungen wie Kniebeugen oder die 2-Minuten-Minimum-Gymnastik (siehe Download) können eingebunden werden.

Die 40-15-5-Regel lockert nicht nur den Körper und kann Rückenschmerzen vorbeugen, sondern strukturiert auch im Homeoffice den Büro-Alltag. Wenn der Kopf gar nicht mehr will, eignet sich während der Arbeitszeit auch mal ein Spaziergang. Frische Luft kann bei Denkblockaden wahre Wunder bewirken.

Wenn du ehrgeiziger bist und echtes Lauftraining starten willst, gib dir mindestens acht Wochen Zeit, um dein erstes Ziel – 30 Minuten Nonstop-Laufen – zu erreichen. In den ersten Wochen bei drei Trainingseinheiten pro Woche wechseln sich Lauf- und Gehintervalle ab.

Bei einer solchen Intervallrunde läufst oder sprintest du etwa 30 Sekunden lang und gehst anschließend zwei Minuten ganz ruhig. Dann rennst du wieder 15 Sekunden und gehst eine Minute, bis der Puls wieder ruhig ist. Nach und nach nimmt der Anteil der Laufstrecke zu und die Erholungsphasen beim Gehen nehmen ab – bis du schließlich locker 30 Minuten am Stück laufen kannst.

Dem Stress davonlaufen

Stress macht krank und verkürzt unsere Lebenserwartung. Denn das Stresshormon Adrenalin schlägt Kerben in unsere Blutgefäße, fordert Herzinfarkt und Schlaganfälle. Die körperlichen Reaktionen auf Stress und die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol sind anstrengend: Anstieg von Herzschlag, Atemfrequenz und Blutdruck, Anspannung der Muskulatur, Erweiterung der Pupillen, Einstellung der Verdauungstätigkeit und vieles mehr.

Die modernen Stressoren reichen vom pausenlosen Telefonklingeln über das Strafticket am Auto bis zum Mobbing am Arbeitsplatz oder plötzlichen Schicksalsschlag. Die diversen Arten von heutigem Stress mit unterschiedlicher Intensität und Dauer haben alle eines gemeinsam: Nicht einer dieser Anlässe verlangt, dass du deinen Körper kraftvoll einsetzt, wie das beim Überlebensstress unserer Vorfahren der Fall war. Unser Stress sitzt im Kopf.

Aber feststeht: Wir Menschen sind nicht dafür geschaffen, dass unser Gleichgewicht ständig gestört wird. Wenn wir Stress nicht körperlich abbauen, sammelt er sich an, über die Psyche (Konzentration, Achtsamkeit) oder über den Körper (Muskulatur, Atmung). Bekommt unser Organismus die Chance zur Erholung nicht, schwächen wir auf Dauer auch unsere Abwehrkräfte.

Andererseits haben Menschen, die sich regelmäßig an frischer Luft bewegen deutlich weniger körperliche Stresssymptome. Wenn die Gedanken zur Ruhe kommen, folgt in der Regel auch die körperliche Entspannung.

Zu effektiven Entspannungsmethoden erfährst du mehr im nächsten Modul!

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